Wassererlebnispfad

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DIE NIEDERTERRASSE - DAS BETT DES RHEINES AUS DER LETZTEN KALTZEIT

 

Niederterrasse (Rheinebene)

Niederterrasse (Rheinebene)

Der Wassererlebnispfad führt durch die Niederterrassen- und Auenland­schaft des Rheines (Karte oben). Erdgeschichtlich sind es die jüngsten Teillandschaften der Köln-Bonner Bucht. Niederterrasse (=Rheinebene)  und Aue sind vom Rhein geschaffen wie auch die älteren Terrassen, die zur Ville und zum Bergischen Land ansteigen.

Was ist eine Flussterrasse?

Schema der Flussterrassenbildung

Schema der Flussterrassenbildung

Eine Flussterrasse (Grafik) ist der Rest einer ehemaligen Talsohle, in die sich der Fluss so stark eingeschnitten hat, dass die Terrassenfläche hochwasserfrei ist. Von der  Terrassenfläche führt der Terrassenhang zur Talsohle, dem aktuellen Hochwasserbett. Bei der Aufschüttungs-Terrasse dokumentiert der Terrassenkörper, die Terrasse im geologischen Sinne, einen bestimmten Zeitabschnitt der Aufschüttung in der Geschichte des Flusses.
Bei der Niederterrasse ist dies die letzte Kaltzeit (Weichsel-Eiszeit).

Wie entsteht eine Flussterrasse?

Grundsätzlich braucht es zur Entstehung einer Aufschüttungsterrasse das Nacheinander von Aufschüttung und nachfolgender Eintiefung des Flusses.
Zur Aufschüttung kommt es, wenn Wasserführung und Gefälle des Flusses nicht ausreichen, um alles Material, das in den Fluss gelangt, seine Fracht (Last), abzutransportieren. Vor Ort abtragen kann ein Fluss, wenn er zusätzliches Material aufnehmen und abtransportieren kann.

Wasserführung, Gefälle und Fracht sind variabel.
Veränderungen in der Wasserführung sind vor allem vom Klima abhängig,
Veränderungen im Gefälle sind meist Folge von Bewegungen der Erdkruste oder von Meeresspiegelschwankungen.
Veränderungen in der Fracht sind vor allem abhängig vom Ausmaß der Aufbereitung durch Verwitterung und dem vorhandenen bzw. fehlenden Schutz vor Abtragung durch Vegetationsbedeckung.

Die Terrassenkörper der Flussterrassen in der Kölner Bucht wurden in Kaltzeiten unter hochglazialen (pleniglazialen) Klimaverhältnissen aufgeschüttet.

Der Rhein im Hochglazial

Zum Höhepunkt der  letzten Kaltzeit, dem Weichsel-Hochglazial (vor etwa 27 000 bis 15 000 Jahren), war der Rhein  ein Wildwasserfluss, der mit dem heutigen Strom nicht vergleichbar ist. Er führte zwar kurzfristig sehr viel Wasser, das jedoch nicht ausreichte, alle anfallende Fracht abzutransportieren. Er schüttete deshalb bis zu 20 Meter Sande und Kiese auf.
Damals lag Köln in der Tundra (Artikel KÖLN IN DER TUNDRA). Es herrschte ein periglaziales Permafrostklima mit durchgehend gefrorenem Untergrund und sommerlichem Auftauboden an der Oberfläche. An den flussbegleitenden Hängen konnte unter der Tundrenvegetation neben der Abspülung vor allem das Bodenfließen nahezu ungehemmt wirken und führte den Flüssen große Mengen an Frostschutt zu.

Abflussganglinien

Abflussganglinien

Der Rhein war im Winter zugefroren, auch von der Sohle her (Grundeis). Über 90 % seines Abflusses konzentrierten sich auf das Sommerhalbjahr, fast die Hälfte davon auf den Monat Juni, so wie heute bei der Lena nördlich Jakutsk in Sibirien oder beim Colville River in Nordkanada (siehe Abflussganglinien oben). In unserem Warmzeitklima, dem Holozän,  führt der Fluss ganzjährig Wasser und Hochwässer (Artikel HOCHWASSER) treten meist im Winter auf (siehe Abflussganglinie Rhein 1993).

Taunusquarzit-Driftblock aus der Niederterrasse

Taunusquarzit-Driftblock aus der Niederterrasse; Kiesgrube Lorenzhof/Wesseling-Berzdorf
Aufnahme vom 15. Mai 2012

Im Hochglazial zerbrach jeden Frühling mit Einsetzen des Tauwetters das Eis in teils riesige Schollen und trieb als Eisgang ab. Im Eis eingefrorenes Gestein vom Flussbett oder vom Ufer wurde abgerissen und driftete in den Schollen flussab, bis das Eis auftaute und der Gesteinsbrocken auf den Grund sank. Durch die Eisdrift konnten zentner- bis tonnenschwere Blöcke (Bild oben) teils über große Entfernungen transportiert werden. Sie liegen als Driftblöcke eingebettet in den ansonsten sandig-kiesigen Flussablagerungen und werden beim Kiesabbau ans Tageslicht gebracht. Der Driftblock aus Taunusquarzit im Bild oben kommt aus dem südlichen Rheinischen Schiefergebirge (Hunsrück, Taunus). An seiner Oberfläche sieht man die Modellierung durch die abschleifende Wirkung von Sand und Kies, der sogenannten Sohlfracht, mit der das Wasser auf das anstehende Gestein eingewirkt hatte, ehe dieses im Grundeis anfror und herausgebrochen wurde.

Driftblöcke sind ein sicherer Hinweis auf kaltzeitliche Klimabedingungen mit sehr tiefen Wintertemperaturen.

Auf dem Wassererlebnispfad von Pulheim zum Rhein ist an einer Reihe ausgelegter Driftblöcke am Mohlenweg die Erzählstation 26 eingerichtet, die weitere Informationen liefert.

Verflochtene Gerinnebetten auf Spitzbergen

Verflochtene Gerinnebetten auf Spitzbergen
Foto Heiner Späth

Bei starkem Eisgang konnten sich vor allem im engen Mittelrhein-Durchbruchstal Eisschollen querstellen und den Abfluss verstopfen. Brach das aufgestaute Wasser die Sperre, dann entstand eine steile Flutwelle, die bis  zum Niederrhein wirksam war. Dort überflutete der Rhein als Wildwasser eine über 10 Kilometer breite Hochflutebene. Nach der Flut teilte er sich in zahlreiche verflochtene Gerinne. Sein Flussbett wird dann ähnlich ausgesehen haben wie auf dem Bild oben, das  die Situation an einem kleinen Flüsschen im Permafrostgebiet Spitzbergens zeigt. Der Rhein war allerdings mit 10 – 15 Kilometern deutlich breiter. Aber auch von seinen Hängen kam durch  periglaziales Bodenfließen ein Gemisch aus Frostschutt und Lehm in den Fluss. Trotz der manchmal extremen Hochwasserspitzen zu Beginn der Tauperiode konnte der Fluss nicht alles Material abtransportieren und lagerte bis zu 20 Meter Sande und Kiese ab. In diesen Ablagerungen ist der Grundwasserkörper ausgebildet (Artikel GRUNDWASSER), aus dem Köln sein Trinkwasser bezieht.

Verflochtene Gerinnebetten

Verflochtene Gerinnebetten, Niederterrassenfläche nordöstlich von Pulheim
Orthophoto©Geobasis NRW 2017

Bei günstigen Bedingungen kann man aus der Luft (Bild oben) noch heute die verflochtenen Gerinnebetten des kaltzeitlichen Flussbettes erkennen. Unterschiede in der Bodenzusammensetzung und dem Wasserhaushalt bewirken Unterschiede im Bewuchs, so dass sich auf dem Luftbild die ehemaligen Rinnen durch einen dunkleren Grünton von der restlichen Terrassenfläche abheben.

Der Rhein im Spätglazial

Im Spätglazial (15 000 bis 11 500 Jahre vor heute)) gab es starke Klimaschwankungen (Artikel KÖLN IN DER TUNDRA), von denen sich  jedoch keine Spuren in der Niederter­rassenlandschaft finden lassen.  Für den Niederrhein lässt sich allerdings nachweisen, dass am Ende der Kaltzeit, in der Jüngeren Tundrenzeit, der Fluss letztmalig als verwilderter Fluss wirksam war und nochmals Kiese und Sande aufschüttete. Diese enthalten Bims aus dem Laacher See-Ausbruch, der vor  12 900 stattfand. Die zeitliche Zuordnung der jüngsten Aufschüttungen ist damit gesichert.
Mit Beginn des Holozän tiefte sich der Rhein zunächst noch in mehreren seiner Rinnen (Artikel RHEINRINNEN) etwa 2 bis 5 Meter in das kaltzeitliche Hochwasserbett ein, ehe er  sich auf einen von Inseln durchsetzten Hauptarm zurückzog.

Rückblick: Die Terrassentreppe in der Kölner Bucht

Fließrichtung Niederrheinische Bucht

Bis vor rund 600 000 Jahren überschütteten der Rhein und seine Nebenflüsse das gesamte Senkungsgebiet der Niederrheinischen Bucht mit ihrer Sedimentfracht (Karte oben). Die heutige Villehochfläche war Schwemmland und ist deshalb nahezu eben. Dann wurde sie als Teil der Kölner Scholle relativ zur westlichen Niederrheinischen Bucht gehoben. In dem sich hebenden Teil zwischen Ville und Bergischem Land, der Kölner Bucht, gestaltete der Rhein eine Flussterrassenlandschaft.   

Es war die Kombination von Hebungsphasen und deutlichen Klimaschwankungen, die den mehrfachen Wechsel von Eintiefung und Aufschüttung entlang des Rheines und damit die Ausbildung einer Terrassentreppe zur Folge hatte. Aufschüttung erfolgte vor allem in den Hochglazialen. Der Rhein war ein Wildwasser, sein Hochwasserbett aber noch breiter als  im letzten Hochglazial. Man erkennt es daran, dass die Reste der alten Talböden auf beiden Seiten des Flusses liegen. Abtragung war in Warmzeiten und, zum wesentlichen Teil, in feuchteren Abschnitten der Kaltzeiten wirksam.

Die Niederterrassenfläche ist das Hochwasserbett aus der letzten Kaltzeit, die beginnende Eintiefung in mehreren Rinnen fand im frühen Holozän statt, die Aue ist das heutige natürliche Überflutungsgebiet des Rheines.

 

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