KÖLN IN DER TUNDRA
Während der Kaltzeiten (Eiszeiten, Glaziale) des Quartärs, dem Pleistozän (2,6 Millionen Jahre bis 11 500 Jahre vor heute), lag Köln im gletschereisfreien Bereich (Periglazial) zwischen dem nördlichen Inlandeis und den Alpengletschern im Süden. In den kälteren Abschnitten, den Stadialen, sanken die Temperaturen so tief, dass im Periglazialraum arktische Pflanzengesellschaften der Tundra bis ins Tiefland, also auch in Köln, bestimmend waren. Charakteristisch war eine offene, baumfreie Landschaft über Permafrostböden, dominiert von Flechten, Moosen, Gräsern oder sommergrünen Zwergsträuchern.
Das Hochglazial
Im letzten Glazial war der kälteste Abschnitt im Weichsel-Hochglazial vor 27.000 bis 15.000 Jahren.
Temperaturkurven Jakutsk und Köln
https://de.climate-data.org/location/1806/
Damals lag die Jahresdurchschnittstemperatur im Rheinland bei -4° bis -6° (heute +10° C). Die Winter waren extrem kalt, ähnlich wie heute in der sibirischen Tundra (Temperaturkurve oben).
Anmerkung:
Die Wintertemperaturen in Jakutsk (Temperaturkurve oben), das eine Jahresdurchschnittstemperatur von -10,2° C hat, liegen mit unter -40° C allerdings noch etwas tiefer als damals in Köln.
Folge der tiefen Temperaturen war ein durchgehend bis in große Tiefe gefrorener Untergrund (Permafrostboden).
Frostschutt
Im Sommer lagen die Durchschnittstemperaturen zwar teils deutlich über dem Gefrierpunkt, aber nachts gab es oft Frost. Als Folge der häufigen Frostwechsel entstanden durch physikalische Verwitterung große Mengen von Schutt (Frostschuttboden).
Bodenfließen und Hakenschlagen
Periglaziale Solifluktionsschuttdecke und Hakenschlagen im devonischen Schiefer; Siegerland
Im Sommer tauten lediglich die obersten Dezimeter des Permafrostes auf. Das Wasser konnte aus der Auftauzone nicht in tiefere Gesteinsschichten versickern, da Klüfte und Poren vom Bodeneis verschlossen waren. Es durchtränkte den Frostschuttboden, der sich schon bei relativ schwacher Hangneigung breiartig als Fließerde (Bodenfließen, Solifluktion) hangabwärts bewegte. Dabei konnte der Solifluktionsschutt bei der Abwärtsbewegung eingeregelt werden (Hakenschlagen, Bild oben).
Eisgang, Wildwasserfluss und Niederterrasse
Das Flussbett des Rheines - Vom Hochglazial bis heute
Mit Einsetzen des Tauwetters zerbrach in den Flusstälern das Eis in teils riesige Schollen, die als Eisgang flussabwärts trieben. Verkeilten sie sich, dann entstand ein Rückstau, der eine Flutwelle zur Folge hatte. Der Rhein überflutete bei solchen Hochwasserspitzen als Wildwasserfluss sein 10 bis 15 Kilometer breites Hochflutbett (Blockbild), die heutige Rheinebene (Karte oben). Überfrachtet mit Frostschutt lagerte er einen Teil des Materials ab. Es entstand der bis über 20 Meter mächtige Terrassenkörper der Niederterrasse (Artikel NIEDERTERRASSE). Dabei verbreiterte er sein Bett durch Seitenerosion.
Eiskeile und Eiskeil-Pseudomorphosen
Aktiver Eiskeil im Permafrostboden in der kanadischen Tundra: TABER 1932
Den Keil aus blankem Eis durchzieht ein Frostriss. Auf beiden Seiten des Keiles ist der Permafrost durch zahlreiche Eislamellen (dunkler Grauton) gegliedert. Im oberen Teil des Bildes zeigt sich die sommerliche Auftauzone durch unregelmäßige Fleckung.
Typisch für das Permafrostklima sind Eiskeile (Bild oben). Im Winter entstehen als Folge extremer Temperaturabsenkung Frostrisse (Kontraktionsrisse). Den Keil aus blankem Eis im Bild oben durchzieht solch ein Frostriss. In den Frostriss dringt Wasser ein und füllt ihn aus. Im nächsten Winter entsteht der nächste Frostriss und über Jahrhunderte entwickelt sich so ein Eiskeil. Im Grundriss bilden sich polygonale Eiskeilnetze, besonders häufig Sechsecke oder unregelmäßige Rechtecke.
Fossiler Eiskeil (Eiskeil-Pseudomorphose) in Donauschottern bei Wien
Aufnahme Sommer 1978
Fossile Eiskeile (Bild oben) sind ein untrügliches Anzeichen auf ehemaligen Permafrost und sind auch im Rheinland nachgewiesen. Der Vergleich zwischen dem rezenten und dem fossilen Eiskeil zeigt, dass das Eis mit dem Abtauen durch eine Lößfüllung (periglaziales Staubmaterial) ersetzt wurde und dadurch als Form erhalten blieb (Pseudomorphose). Das konnte bereits im Periglazialklima erfolgen, wenn die Temperaturen nur unwesentlich höher waren (Jahresdurchschnittstemperatur -2° C) und der Eiskeil durch die sommerliche Einstrahlung langsam abschmolz. Staubstürme waren damals ein wesentliches Element bei der Landschaftsgestaltung.
Löß und Flugsandfelder
Löß (Weichsel-Eiszeit) auf Ablagerungen der Unteren Mittelterrasse (Saale-Eiszeit)
Oberkante Löß etwa 61 m NN; Lößmächtigkeit etwa 3 - 4 Meter
Ehemalige Ziegelei und Sandgrube der Arbeitsanstalt Schreiner
Aufgenommen von Peter Schreiner + (Pulheim)
Insgesamt war es im Hochglazial relativ trocken (Jahresniederschläge <300 mm) und aus vegetationsarmen Flächen (Hochflutbetten der großen Flüsse, Frostschuttzone der Mittelgebirge) wurde Feinmaterial ausgeblasen. Kräuter und Gräser in der Tundra filterten den Staub heraus. Dadurch konnten sich bis mehrere Meter mächtige Lößpolster aufbauen, die linksrheinisch die älteren Flussterrassen überdecken (siehe Bild oben).
Aus dem viele Monate des Jahres weitgehend trockenen Hochwasserbett des Rheines wurde Sand verweht, der nicht weit transportiert wurde und östlich des Rheines auf der Unteren Mittelterrasse ausgedehnte Flugsandfelder (zum Beispiel Wahner Heide) entstehen ließ.
Blockbild der Kölner Bucht im letzten Hochglazial
Geologisch-geomorphologisches Blockbild der Kölner Bucht in der letzten Eiszeit
Stratigraphie nach: DEUTLOFF 1975
Das Blockbild zeigt die wichtigsten Elemente der eiszeitlichen Landschaft auf beiden Seiten des Rheines. Eiskeilnetze auf den Flächen, Solifluktionsschuttdecken (Frostschutt mit Bodenfließen) an den Hängen, ein breites Hochwasserbett des Rheines, Lößüberdeckung auf den älteren Rheinterrassen und rechtsrheinisch Flugsandfelder in Flussnähe.
Das Spätglazial im Rheinland
Spätglaziale und holozäne Klimaentwicklung in Norddeutschland
Der Temperaturverlauf wurde aus zahlreichen neueren Publikationen zusammengestellt, in denen Ergebnisse von Bohrkernauswertungen aus der Tiefsee, aus dem grönländischen Gletschereis und aus Maarsedimenten in der Eifel ausgewertet wurden.
Das Spätglazial (15 000 bis 11 500 Jahre vor heute) war durch dramatische Klimaschwankungen gekennzeichnet (Grafik oben), die jedoch im Landschaftsbild keine zeitlich klar zu fassenden Spuren hinterließen. Zu Beginn des Spätglazials waren die Gletscher der Nordischen und Alpinen Vereisung bereits stark zurückgeschmolzen, als mit dem Meiendorf-Interstadial ein erster deutlich wärmerer Zeitabschnitt den Übergang zur Warmzeit einleitete. Danach gab es mit der Ältesten, der Älteren und der Jüngeren Tundrenzeit noch drei kalte Abschnitte mit periglazialen Verhältnissen.
Die Formungsprozesse (Geomorphodynamik) in der Jüngeren Tundrenzeit, die rund 1 100 Jahre andauerte, liefen letztmalig auf einer periglazialen „Bühne“ ab. Mit Beginn des Holozäns endeten Eiskeilbildung, periglaziale Solifluktion, Staubstürme und Widwasserdynamik des Rheines. Dieser zog sich kurzfristig auf mehrere Arme (Artikel RHEINRINNEN), dann auf ein Flussbett zurück. Die eingewanderten Waldgesellschaften schützten den Untergrund weitgehend vor Abtragung und erlaubten die ungestörte Entwicklung von Böden auf dem in der Eiszeit bereitgestellten Inventar.
Aber spätestens mit dem Atlantikum (9 000 bis 5 800 Jahre vor heute) gestaltete der Mensch mit zunehmender Intensität die Naturlandschaft zu einer unterschiedlich naturfernen Kulturlandschaft um.